Liberty News - Die Zinswende wirkt sich auch auf die Immobilienportfolios der Pensionskassen aus

Die Zinspolitik der SNB hat den Nachfrageboom bei Mehrfamilienhäusern 2023 abrupt gestoppt. Was bedeutet das für die Pensionskassen? Und ziehen die Preise nach Leitzinssenkungen wieder an? Diesen Fragen gehen verschiedene Experten nach.

Für Pensionskassen waren Wohnimmobilien bis vor Kurzem eine gute Investition: Sie lieferten langfristige Wertsteigerungen, stabile Mieteinnahmen und mehr Rendite als die Bundesobligationen. Kein Wunder also, waren Mehrfamilienhäuser während der Tiefzinsära bei Vorsorgeeinrichtungen beliebt; kein Wunder auch, stieg der Immobilienanteil am Anlagevermögen stetig an. Kein Wunder aber auch, hinterliess die Zinswende auf dem Markt und in den Portfolios Spuren.

Preise für Wohnimmobilien sind 2023 gesunken

Tatsächlich sind die Preise für Wohnimmobilien 2023 um rund 4.4% gesunken, weiss Dr. Robert Weinert, Leiter Research bei Wüest Partner. Ausserdem lag das Transaktionsvolumen gesamtschweizerisch letztes Jahr rund 35% unter dem langjährigen Mittel. Doch die Immobilienexperten der UBS relativieren: Die qualitätsbereinigten Transaktionspreise seien seit Anfang 2013 insgesamt um rund 36% gestiegen – ganz besonders stark im Jahr 2022. Der 2023er-Wertverlust von 4.4% entspreche also nicht ganz der Hälfte des Anstiegs im Vorjahr. Weinert führt den starken Zuwachs bis ins 1. Quartal 2022 darauf zurück, dass bei vielen institutionellen Anlegern bis unmittelbar vor der Zinswende noch Anlagenotstand herrschte und damit die Zahlungsbereitschaft für Immobilien trotz bereits hoher Preise weiter stark gestiegen ist.

Nach der Zinswende im 2. Quartal 2022 haben einige Pensionskassen ihre Portfolios strategisch optimiert. In der Folge waren unmittelbar nach der Zinswende die gehandelten Objekte etwas kleiner und von geringerer Qualität – die durchschnittliche Transaktion lag 2022 um 15% unter dem langjährigen Mittel. Im Vergleich zur zweiten Jahreshälfte 2022 wurden 2023 zwar weniger, qualitativ aber wieder hochwertigere Mehrfamilienhäuser gehandelt, wie die Experten der UBS erklären.

Haben die Pensionskassen 2023 mit Immobilien also kein Geld verloren?

Sowohl Robert Weinert als auch Claudio Saputelli, Leiter Global Real Estate des UBS CIO, und ebenso Patric Caillat, Fund Manager bei der UBS Anlagestiftung, sind der Meinung, dies könne durchaus der Fall gewesen sein. Sie nennen verschiedene Gründe dafür. So würden Pensionskassen mit ihren direkten Immobilienanlagen eine langfristige buy-and-hold-Strategie verfolgen; sie verhielten sich nicht wie andere, eher buy-and-sell-orientierte Anleger. Ein Verlust sei also höchstens entstanden, wenn eine Vorsorgeeinrichtung ein Objekt 2022 gekauft und 2023 wieder verkauft habe.

Pensionskassen würden Immobilien zudem aus Eigenmitteln finanzieren. Steigende Zinsen für Fremdkapital hätten also keine nachteiligen Auswirkungen – im Gegenteil: Pensionskassen könnten den höheren Referenzzinssatz auf ihre Bestandsmieten anwenden und so ihre Kapitalrendite erhöhen.

Pensionskassen bevorzugten ausserdem Wohnhäuser für ihre Direktanlagen, weil sie weniger volatil seien als Büro- und Verkaufsflächen; bei deutlich kleinerem Leerstandrisiko böten sie stabile Mieteinnahmen und ermöglichten so eine präzisere Liquiditätsplanung.

Zinssenkungen werden sich auf den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirken

Angesichts der tiefen Inflation ist für Saputelli die Frage nicht, ob die SNB 2024 ihren Leitzins senken wird; es gehe vielmehr um das wann und wie viel. Saputelli geht von drei Zinsschritten aus (der erste erfolgte am 21. März) und rechnet mit einem Zinssatz von 1% per Ende 2024.

Diese Zinssenkungen würden sich mit einer gewissen Verzögerung auch auf den hypothekarischen Referenzzinssatz auswirken, wie er erklärt, wobei sowohl er wie auch Weinert annehmen, dass dieser noch bis mindestens Ende 2024 auf dem aktuellen Stand von 1.75% bleibt. Eine weitere Erhöhung auf 2% ist nach Ansicht der Experten wenig wahrscheinlich (aber nicht ausgeschlossen, sollte die Inflation wider Erwarten die 2%-Hürde deutlich überschreiten). Geldmarkthypotheken würden unmittelbarer auf die Zinsschritte reagieren, was aber keinen Einfluss auf den Referenzzinssatz haben werde.

Betongold oder Eidgenossen?

Schweizer Pensionskassen haben ihre Immobilienanlagen in den letzten 15 Jahren verdreifacht, so die Experten, zum einen eine Folge des wachsenden Anlagekapitals der Vorsorgewerke, zum anderen aber auch der Tiefzinspolitik der SNB. Inzwischen lasse sich mit 10-Jahres-Bundesobligationen wieder eine positive Rendite erzielen, wobei die erwartete Senkung des SNB-Leitzinses mittlerweile in den Preisen von Bundesanleihen schon eingepreist sei: Ende Februar 2024 habe die Rendite für Eidgenossen bei 0.92% gelegen; UBS erwartet per Ende 2024 noch 0.7%. Demgegenüber habe der Median der Nettoanfangsrendite von Mehrfamilienhäusern letztes Jahr bei 3.1% gelegen.

Sinkende Leitzinsen dürften zu steigenden Transaktionsvolumen bei Wohnimmobilien führen, und somit zu sinkenden Nettorenditen. Weinert rechnet jedoch nicht mit einer erneuten starken Preisrally bei Wohnimmobilien. Den Grund sieht er im immer noch hohen Immobilienanteil der meisten Pensionskassen-Portfolios.

Etliche Pensionskassen hatten per Ende 2022 eine Immobilienquote von bis zu 50%

Sinkende Aktienkurse führen zu einem relativen Anstieg des Immobilienanteils, der von der BVV auf 30% des Gesamtportfolios begrenzt ist. Gemäss einer Untersuchung des Beratungsunternehmens Complementa vom Juli 2023 hatte jede dritte Schweizer Pensionskasse per Ende 2022 eine Immobilienquote von bis zu 40% und jede fünfzehnte gar von bis zu 50%.

Mittlerweile dürfte die Immobilienquote bei den meisten (auch) dank der stärkeren Börsen 2023 mehrheitlich wieder im grünen Bereich liegen, schätzen die Experten. Und sie wissen: Es gab Vorsorgeeinrichtungen, die Immobilienanlagen verkaufen mussten, um die Bandbreite einzuhalten – dies notabene in einem illiquiden Markt mit einem gegenüber dem Vorjahr um 30% tieferen Transaktionsvolumen. Sie waren also gezwungen, die liquidesten ihrer illiquiden Assets zu verkaufen – zum Beispiel Anteile börsenkotierter Immobilienfonds, die ohnehin schon auf Tauchkurs waren. Zusätzlich ertragsmindernd wirkten sich die Rücknahmegebühren aus, so die Experten, die viele Immobilienfonds und Anlagestiftungen erhöhten – auch, um ihre Investoren zu schützen. Die Experten erklären: «Die Pensionskassen haben aus solchen Erfahrungen gelernt. Deshalb ist anzunehmen, dass sie ihre Immobilienportfolios weiterhin gezielt optimieren, aber nicht mehr bis nahe an die 30%-Limite erhöhen werden.»